Denis Thériault, Siebzehn Silben Ewigkeit, Rezension
Rezension vom 22.06.2012
meine Beurteilung: 5 Sterne von 5 möglichen
Denis Thériault hat hier ein kleines, raffiniertes, spitzbübisches Wunderwerk geschaffen! Für das er 2006 mit dem Prix littéraire Canada-Japon ausgezeichnet wurde.
Was auch immer dieser Preis aussagt, dieses Buch wird jeden Menschen vergnüglich unterhalten, aus dem Alltagsstress holen und faszinieren.
Es ist eine Hommage an die japanische Dichtkunst, für mich ein eher unbekanntes Terrain, daher möchte ich es hier auch nochmals für mein
schlechtes Gedächtnis festhalten: Ein Haiku ist ein dreizeiliges Gedicht, wobei die erste und die dritte Zeile aus fünf, die zweite Zeile aus sieben Silben bestehen. Es enthält eine Anspielung auf die Natur (kigo) oder eine andere Realität in Form einer detaillierten Momentaufnahme und zeigt ein Gleichgewicht zwischen fueki, dem Unveränderlichen, das über die Ewigkeit hinausgeht, und ryuko, dem Sich-Stets-Verändernden, dem Flüchtigen.
Die erotische Variante ist ein Hentais.
So, nun aber zum Inhalt: Bilodo ist Briefträger, lebt sehr ruhig und zurückgezogen und unauffällig. Niemand würde erraten, dass er die Briefe, die er zustellen soll, öffnet, liest, kopiert und abheftet. So kommt es, dass er sich in eine Unbekannte verliebt, die im regen Austausch mit einem älteren Herren des Ortes dreizeilige Gedichte schreibt. Ein Bild von ihr hat er kopiert und an sein Bett gestellt. Diese Traum-Liebe reicht ihm so lange, bis der ältere Herr stirbt und Bilodo Abschied nehmen soll.
Aus Panik, den Kontakt zu verlieren, arbeitet er sich in die japanische Dichtkunst ein und beginnt an Stelle des älteren Herrn die Briefe zu beantworten.
Ich habe selten so gelacht.
Hin- und hergerissen zwischen Fremdschämen und Verständnis habe ich teils völlig ungläubig die Handlungen Bilodos verfolgt. Dabei ist es nicht lächerlich, eher rührend und herzergreifend, wie sehr Bilodo sich in seine Passion steigert, dazu die Reime, die angefangen von:
Schöner goldener Fisch
Blasen steigen auf
während er durchs Wasser schwimmt,
bis
Die Sonne geht auf
wie ein goldener Käse
lasst uns was essen
führt.
Ich habe mich wirklich mit jeder Seite bestens unterhalten. Und ich bemerkte, dass ich mit jedem Reim, mit jedem Brief, mit jeder Steigerung schneller las. Ich wurde hineingesogen in diese Manie, die sich zu einem Wipfel steigert, bis es zum Knall, zur Erlösung kommt, denn:
So wie das Wasser
den Felsen umspült
verläuft die Zeit in Schleifen!
Wunderschön geschrieben, sicher nicht leicht zu übersetzen, ein Drama der Liebe, so spannend und bewegend, nie hätte ich gedacht, dass ich mit einem Buch über die Liebe so Freude haben könnte! Unbedingt lesen!
- Taschenbuch: 160 Seiten
- Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag (1. Oktober 2009)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3423247436
- ISBN-13: 978-3423247436
- Originaltitel: Le facteur émotif (XYZ éditeur, Montreal 2005)
- Größe und/oder Gewicht: 20,8 x 13,4 x 1,8 cm
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